
Zuletzt aktualisiert am 7. Januar 2023 um 19:14
Ich bin glücklich und sehr dankbar. Und ich bin seit Jahren sehr demütig, weil ich vieles nicht mehr als selbstverständlich ansehe. Im Moment verläuft mein Leben, dass man es sich kaum besser wünschen kann. Ich bin gesund, meine Behinderungen sind Alltag, meine Kinder gehen alle einen guten Weg, ich bin in einer guten Partnerschaft, ich bin vor wenigen Tagen wieder Omi geworden, der Mietvertrag unserer Wohnung konnte wieder verlängert werden, ich habe eine neues Auto, ich fliege bald zu meinem Sohn nach Thailand, in meinem familiären Umfeld gibt es weder schwere Erkrankungen, noch sonstige Krisen. Das was meinen Alltag ausmacht, macht mir Spaß, macht oft Sinn und macht mich froh. Und so könnte ich die Aufzählung noch weiterführen. Ein rundherum Sorgenfrei-Glück-Paket könnte man sagen.
SCHLECHTES GEWISSEN
Und trotzdem habe ich ein schlechtes Gewissen. Ich habe ein schlechtes Gewissen weil eine Reihe von Freundinnen seit geraumer Zeit vom Schicksal gebeutelt werden. Und diese vier teils dramatischen Lebensabschnitte anderer Frauen haben auch mit meiner persönlichen Vergangenheit viel Ähnlichkeit. Ich habe vor allem deshalb ein schlechte Gewissen weil ich das Gefühl habe, zu wenig helfen und unterstützen zu können, während ich mein momentanes Glück fast unverschämt auskoste.
Ich habe keine Problem fremden Menschen durch meine Begleitung im Rahmen der Selbsthilfe über die erste schwere Zeit mit Mundhöhlenkarzinomen zu helfen. Ich kann mich hier sehr gut und vor allem professionell abgrenzen. Das liegt ja auch daran, dass diese Menschen zwar von meiner Krankengeschichte erfahren, aber nichts von meinem sonstigen Leben. Außer sie lesen meine Blogs. Und hier erfährt man aber auch nicht alle Privatissima.
KREBSDIAGNOSE
Nun ist eine sehr liebe Freundin an einem Ovarialkarzinom erkrankt. Ich kann das erwähnen, weil sie ihre Krankheit öffentlich gemacht hat und darüber auf Facebook schreibt und dadurch auch sehr viel Unterstützung erhält. Es erinnert mich ein wenig an meine eigene Diagnose Situation vor bald sieben Jahren. Mir hat damals tatsächlich eine Gruppe von Menschen in einem eigentlich politischen Forum sehr viel Unterstützung entgegengebracht, ohne dass sie es wahrscheinlich überhaupt wussten. Ich kann aus meiner Sicht besagter Freundin nicht wirklich helfen, weil Krebs ist nicht gleich Krebs und auf sachlicher Ebene bin ich keine Expertin für Ovarialkarzinome. Ich kann ihr nur anbieten ihr Gehör zu schenken, so fern sie es überhaupt wünscht. Das ist nämlich auch eine große Unbekannte im Zuge einer schweren Erkrankung, ja eigentlich in jeder traumatischen Situation. Wie sehr will der oder die Betroffene überhaupt die Nähe von Menschen, die nicht im allerengsten Umfeld sind?
TRENNUNG
Eine andere Freundin hat sich von ihrem Mann getrennt, oder er von ihr, oder beide voneinander. Diese Freundin ist noch nicht sehr lange in meinem sehr persönlichen Umfeld, dafür aber sehr intensiv und persönlich. Und ich denke auch mit viel Ehrlichkeit von beiden Seiten. Trotzdem weiß ich nicht, ob von meiner Seite hier die richtige Hilfe kommt. Meine letzte Trennung liegt über 35 Jahre retour, eine Jugendsünde sozusagen und ich habe nicht wirklich Erfahrung mit Trennungen im Erwachsenenalter, vor allem nicht, wenn ein ganze Familie mehr oder minder zerbricht. So sehe ich das als Außenstehende. Auch hier kann ich keine Ratschläge geben und nur mein Ohr zur Verfügung stellen. Ja, ich kann und das mache ich gerne, ich kann Zeit schenken.
KINDERWUNSCH
Eine junge Freundin, im Alter meiner Kinder schlägt sich seit Monaten, wenn nicht Jahren mit dem Thema Kinderwunsch herum. Vor allem auch mit dem Umgang anderer Menschen mit ihrer Situation. Ja, das kann ich in gewisser Weise nachvollziehen. Als meine zweite Schwangerschaft sehr spät beendet wurde, weil das Kind so schwer geschädigt war, war lange Monate nicht klar, ob ich noch Kinder bekommen kann. Ich war damals zwar schon Mama, aber die Frage nach einer weiteren Schwangerschaft hat mich damals oft gekränkt und verletzt. Und ich weiß, dass die Frage nur freundlich gemeint war. Ich bin gerade Omi geworden und gehe natürlich gerne mit den Fotos der kleinen Marlene hausieren. Typisch Oma halt. Da stellt sich für mich natürlich schon die Frage, wie angebracht ist es in Gegenwart dieser Freundin meine große Freude über das neue Enkelkind hinauszuposaunen? Ich habe sehr vorsichtig angefragt, ob ich ein Bild herzeigen dürfte. Was sich letztlich als eher unproblematisch erwies.
INSOLVENZ
Ein Freundin befindet sich seit Jahren in einem Konkursverfahren. Sie macht mir ernsthaft Sorgen, weil ich einfach großem Angst habe, dass sie an dieser Geschichte endgültig zerbrechen könnte. Ihre Existenz ist bereits vernichtet. Und es haben sich auch bei diesem Konkursverfahren so abartige Dinge abgespielt, das ein Außenstehender niemals glauben würde und so etwas in das Reich der Fantasie abtun würde. Ich sehe da so viele Parallelitäten zu meinem eigenen Firmenkonkurs, dass ich ihr Handeln und ihre Hilflosigkeit nur bestens nachvollziehen kann. Das Problem liegt hier vor allem auch an der standhaften Verweigerung von Hilfeannahme. Ich sehe mich hier mit gebundenen Händen, zumal auch ein große Distanz zwischen uns liegt, die mir nicht erlaubt, schnell einmal vorbeizuschauen.
Bestyears Elisabeth Giovanoli
Januar 23, 2018Das sind grosse Fragen liebe Claudia – ich kenne die Antwort auch nicht. In wie weit man gebraucht wird, sich einmischen soll, es gewünscht wird, man helfen kann…. aber ich finde trotzdem, dass jeder ein Recht auf sein Glück hat. Wenn es ihm hold ist. Am Ende ist doch jeder Mensch irgendwie alleine, muss mit sich und dem Schicksal zurecht kommen. Das war sicher auch bei Dir so. Und ein Stück weit geht es auch um Abgrenzung. Man kann sich auch nicht alle Probleme der Umwelt aufladen. Für mich sind alle die mir sehr nahe sind auch in einer Art ich, das bedeutet, dass ich hier bereit bin alles was in meiner Macht steht anzubieten. Auch mich ereilen zahlreiche Hilferufe, sei es via Facebook und heute zum Beispiel hatte ich den Brief einer ehemaligen Angestellten im Postkasten… geniess Dein Leben, denn das ist Dein Geschenk…
Laura
Januar 24, 2022Hallo, ich weiss nicht ob es dir hilft, aber reflektiere deine Situation doch mal von außen: du hattest selbst einige Hürden und bis jetzt im Moment in einer sehr schönen Phase im Leben. Daß kann auch eine große Hoffnung und Lichtblick für deine Freundinnen (und andere) sein. Genieß es und sei stolz auf alles was du in den schweren und leichten Phasen deines Lebens gelernt hast 🙂
Gabi
Februar 1, 2018Liebe Claudia
es ist traurig wenn im Umfeld so viel schlimmes passiert. Doch Du hast schon so viel erlebt und hast viel aushalten müssen, Du darfst einfach glücklich sein und das Leben geniessen und mußt kein schlechtes Gewissen haben.
Sabine Dinkel
Februar 10, 2018Liebe Claudia,
ich tippe jetzt mal kühn darauf, dass ich die oben aufgeführte Freundin mit Ovarialkarzinom bin. ;o)
Glaube mir, ich finde es sowas von schön zu lesen, dass es dir derzeit so gut geht und du dein Leben genießt. Das ist wirklich etwas ganz Wertvolles, das es unbedingt auszukosten gilt. Wenn nicht jetzt, wann dann?
Mir tut jedes kleine Herzchen gut, oder auch nur zu wissen, dass da jemand mal mitliest. Ich fühle mich durch die Menschen um mich herum – sowohl live als auch auf Facebook & Co – total getragen. Auch mir geht es derzeit sehr gut. Und ich wäre ja blöd, das nicht zu genießen. ;o)
Ich danke dir, dass ich nun Teil deines Blogs bin. ;o)
Ganz liebe Grüße
Sabine