
Zuletzt aktualisiert am 7. Januar 2023 um 19:14
Zweieinhalb Tage sind natürlich wirklich zu kurz, um eine Stadt näher kennen zu lernen. Ich bin normalerweise bei Städtereisen sehr schnell zu begeistern und es reichen ein paar wenige Stunden, dass ich mich total verliebe. Tel Aviv habe ich mit einer gewissen Traurigkeit verlassen, weil meine Erwartungen so wenig erfüllt wurden.
Tel Aviv, The White City, 4000 Gebäude aus den 30ern und 40ern des letzten Jahrhunderts, darauf hatte ich mich eingestellt. Ich bin nicht dort hin, um Party zu feiern oder den Geschmack Israels kennen zu lernen. Für Rundumdieuhr-Parties bin ich nicht mehr geeignet und den Geschmack Israels kenne ich bestens, stammt ja mein Mann aus Israel.
Dieser Umstand war der vorrangige Grund, weshalb wir über Silvester nach Tel Aviv geflogen sind. Obwohl mein Mann schon seit 1958 in Österreich lebt, ist er immer noch ausschließlich israelischer Staatsbürger. Über 30 Jahre war es kein Problem den Pass auf der Botschaft erneuern oder verlängern zu lassen, doch nun sind Auslandsisraelis schon seit geraumer Zeit gezwungen ins Land einzureisen, damit das Reisedokument erneuert wird.
Kein Silvester in Tel Aviv und trotzdem sollte man Restaurants reservieren
Eigentlich hatten wir eine Kurzreise für das kommende Frühjahr geplant, dann haben wir uns mangelnder Ideen für den Jahresausklang in Salzburg ganz kurzfristig für einen Silvestertrip entschieden. Das hatte auch den Vorteil, dass die Preise sehr moderat waren, weil Tel Aviv, im Gegensatz zu vielen europäischen Großstädten kein Silvester Hotspot ist. Wer dort Feuerwerk und Knallerei erwartet, der ist falsch. Um einen schönen Tisch am 31.12. abends zu ergattern, sollte man sich rechtzeitig darum kümmern. Das haben wir nicht getan, weil wir den Silvesterabend als normalen Wochentag wähnten, aber es gibt inzwischen so viele Gäste in der Stadt, dass man generell in angesagten Restaurants frühzeitig buchen sollte. Mit ganz viel Glück haben wir um sechs Uhr einen schönen Tisch im Restaurant Shila reservieren können. Für lediglich zwei Stunden. Über dieses wunderbare Essen und meine anderen Lokalempfehlungen werde ich separat berichten. Vorweg möchte ich sagen, wer wegen des Essens nach Tel Aviv reist, der wird begeistert sein. Und damit meine ich nicht nur Hummus, Falafel, Shawarma oder Tahina.
Bauhaus in Tel Aviv, leider eine Enttäuschung
Hier sollten nun reihenweise Begeisterungsstürme über die Architektur Tel Avivs folgen. So hatte ich es mir im Vorfeld vorgestellt. Natürlich hatte ich mich vor der Reise eingehend mit der Stadt beschäftigt. Wie man unschwer anhand meines Blogs erkennen kann, interessiere ich mich für Kunst, Geschichte und Architektur. Die Geschichte Tel Avivs ist ja sehr kurz, denn die Stadt entstand erst vor rund 110 Jahren. Berühmt ist sie vorwiegend wegen der großen Anzahl an Häusern im Bauhaus-Stil. Nirgendwo auf der Welt gibt es auf so engen Raum eine derartig große Zahl an Gebäuden aus dieser Stilepoche. Der Grund liegt in der Vergangenheit Deutschlands und der damit verbundenen tragischen Geschichte der jüdischen Bevölkerung. Viele junge Architekten die unter Gropius, LeCorbusier oder Mendelsohn in Dessau, Weimar oder Berlin ihr Handwerk erlernt hatten, flüchteten in das damalige Palästina und wirkten an der Gestaltung der Stadt mit. So entstand The White City, die ursprünglich eher sandsteinfarben war. Der Großteil dieser Gebäude steht noch, jedoch in welchem Zustand sich viele befinden, das war der Grund für meine Enttäuschung. Mir blieb oft der Mund offen, nicht aus lauter Freude, sondern aus lauter Entsetzen über die teils sehr verwahrloste Architektur.
Taxi als probates Transportmittel
Wir sind sehr viel Taxi gefahren, das war die beste Möglichkeit in der kurzen Zeit möglichst viel zu sehen und auch sehr viel zu erfahren. So hörten wir, dass viele der Gebäude deshalb nicht renoviert wurden, weil damit spekuliert wurde. Baugrund ist wie überall in Großstädten sehr teuer und viele Besitzer wollten die alten Gebäude eliminieren und stattdessen Hochhäuser errichten. Dieser Plan ging nicht auf, weil die Bauhaus Häuser mittlerweile unter Denkmalschutz stehen. Es darf nur mehr der Originalzustand wieder hergestellt werden. Dass man es jedoch mit der Wiederherstellung nicht so sonderlich ernst nimmt, sieht man am Stadtbild. Ich bin dann noch über 20 Kilometer zu Fuß gelaufen, auf der Suche nach dem großen WOW-Effekt. Der trat leider nicht ein, dafür hatte ich abends seit langem wieder einmal Blasen an den Zehen.
Keine Flaniermeilen
Irritierend fand ich auch, dass es keine Flaniermeilen gibt. Ja, es gibt breite Straßen mit Alleebäumen, wie den Rothschild Boulevard. Aber die Häuser entlang der Gehsteige sind in einem desaströsen Zustand. Einkaufsstraßen sind meist vollgefüllt mit Ramschläden. Auch die berühmte Dizengoff Street hat mich nicht überwältigt. Markenläden findet man anscheinend nur in Einkaufszentren, die meide ich jedoch bei Städtereisen. Ich bin auch keine Käuferin, sondern eine Windowshopping Queen.
Es gäbe einige Museen zu besuchen, dafür war die Zeit zu knapp.
Jaffa, der historische Teil Tel Avivs
Eine Fahrt brachte uns hinaus nach Jaffa, das heute in Vorort von Tel Aviv ist, früher war es genau umgekehrt. Jaffa ist inzwischen ein Touristen Hotspot. auch an einem verregneten Dezembertag werden Menschenmassen durch die kleinen Gassen geschoben. Geht man ein paar Meter abseits, dann kann man noch den ursprünglichen Ort erleben. Unser Taxilenker hat uns zum Hummus essen in eine echte Spelunke geschickt, man würde dort eher nicht hineingehen. Aber das servierte Essen war nicht nur sehr billig, sondern auch sehr gut. Hausmannskost eben.
Unsere letzten Stunden vor der Heimreise verbrachten wir noch am Strand und haben mutige Menschen beim Bad im etwas kühlen Mittelmeer beobachtet.
Die Einreise nach Israel
Noch ein paar Worte zur Einreise, die mir im Vorfeld einige Bauchschmerzen verursachte, weil ich in meinem Reisepass einige Stempel aus für Israel kritische Staaten habe. Indonesien und Katar etwa. Ich war nahe daran einen zweiten Pass zu organisieren, weil mir viele Blogger Kollegen auf Grund ihrer eigenen Erfahrungen dazu geraten hatten. Es war dann zu kurzfristig und irgendwie auch zu umständlich. Letztlich hatte ich null Probleme am Einreiseschalter am Flughafen. Das kann aber durchaus daran liegen, dass die Immigration Dame so sehr mit dem Pass meines Mannes beschäftigt war. Denn es dürfte wirklich sehr selten vorkommen, dass man als Israeli seit 32 Jahren nicht mehr im Land war.
Es ist trotzdem angeraten für die Einreise und besonders die Ausreise mehr Zeit einzuplanen, als an vielen anderen Flughäfen. Die umfangreichen Sicherheitsüberprüfungen erfordern das.
Die Stadt hat auf alle Fälle eine zweite Chance verdient, spätestens in fünf Jahren, wahrscheinlich aber eher früher und dann auch länger.
Magst du dir meine Pins von Tel Aviv merken?


Gabi
Januar 4, 2019Hallo Claudi
ich habe Deinen Beitrag ganz interessiert gelesen. Ich dachte auch warum nach Tel Aviv ? Alles klar jetzt. Ob sich das noch ändern wird mit den Häusern? Schwer zu sagen – wir haben ja auch ein Beispiel in Österreich, allerding im Kleinformat Bad Gastein , dabei wäre das ein Kleinod – Spekulationshäuser, die verfallen, das tut weh. Ich lesen Deine Reiseberichte sehr gerne – bist ganz schön fleißig gewesen! Vielleicht sehen wir uns auf einer Bloggerkonferenz 2019 ! Liebe Grüße Gabi
Claudia Braunstein
Januar 4, 2019Hallo Gabi, schön von dir zu lesen. Wir sehen uns mit großer Sicherheit auf der ABC. Ja du hast vollkommen Recht, in Gastein ist das sehr ähnlich. Man kann nur da und dort hoffen, dass sich das schnell ändert. Liebe Grüße aus Salzburg, Claudia
Lena
Januar 4, 2019Hallo Claudia
Tel-Aviv kenne ich sehr gut von mehreren Kurztrips und ich muss sagen gerade dieser etwas verwahrloste Zustand macht für mich den Charme der Stadt aus.
Du hast den Charakter mit deinen Fotos sehr gekonnt eingefangen. Kompliment.
Und ich hoffe bei nächster Gelegenheit wirst du mehr entdecken, dass dich anspricht. Du solltest auch nach Haiffa reisen!
Beste Grüsse
Lena
Claudia Braunstein
Januar 5, 2019Hallo Lena, so verschieden sind die Geschmäcker. Mich hat der Zustand der Bauhaus Häuser eher traurig gestimmt, hier geht wertvolle Bausubstanz zu Grunde, ich finde das echt schade. Liebe Grüße, Claudia
Judith
Januar 5, 2019Dear Claudia,
Isn’t that nice that the one Austrian blogger that I follow has just visited my country? I can identify with your impressions of Tel Aviv. I am not in love with The city either. I hope that during your next visit to Israel you’ll give a chance to my hometown Haifa. As for myself, we travel a lot to Austria, and have just returned from my husband 70th birthday trip to Vienna and lake Pörtchach. No bad impressions.
Thanks for your informative and guiding posts,
Judith
Claudia Braunstein
Januar 5, 2019Hello Judith, thanks for your nice comment. We definitely want to go back to Israel one time. My husband was born in Jerusalem and lived there for six years. Next time we want to travel more and Haifa is on the program. Nice, that you often come to Austria, maybe even once to Salzburg. Best regards, Claudia
Michael
Januar 6, 2019Liebe Claudia,
vielen Dank für deinen Bericht den ich sehr interessiert gelesen habe. Ich hatte auch schon etwas über tel Aviv gelesen, allerdings aus kulinarischer Sicht, zzgl. ein paar weiterer Informationen über die Stadt. Es ist sehr schade wenn man so viel Baukultur verkommen lässt. Nichtsdestotrotz werde ich mit Sicherheit auch einmal in den nächsten Jahren tel Aviv und Jaffa besuchen.
Liebe Grüße und noch einen schönen Sonntag.
Michael
Robert
Januar 6, 2019Liebe Claudia,
ich mag Deine Tel Aviv Fotos sehr. Sie sind so ganz anders als die üblichen Hochglanz-Bilder. Dazu der Regen, eine wunderbare Stimmung. Tel Aviv im Regen habe noch nie gesehen, weder vor Ort noch in Bildern. Ich mag Tel Aviv gerade wegen seiner Gegensätze, dem Ungeplanten, Chaotischen und Spontanen, das sich in der Atmosphäre und der Architektur wiederspiegelt. Schlimm finde ich eher, wie die Hochhäuser die Innenstadt regelrecht auffressen. Das echte Tel Aviv findest Du fast nur noch im Süden (Florentin und rund um den Lewinski-Park), aber auch dort wütet schon die Bau-Spekulation mit den überall ähnlichen Folgen… Hier meine Eindrücke aus Tel Aviv (ist auch schon wieder 5 Jahre her, so schnell rast die Zeit) https://soscheescho.de/tel-aviv/. Sehen wir uns auf der ITB in Berlin? Würde mich freuen! LG von Robert
Claudia Braunstein
Januar 7, 2019Hallo Robert, danke für deinen ausführlichen Kommentar. auch heuer habe ich die IBT wieder nicht im Visier. Vielleicht irgendwo anders, wer weiß. Liebe Grüße Claudia