
Zuletzt aktualisiert am 7. Januar 2023 um 19:11
Gestern habe ich einen Schritt gewagt, mit dem ich schon seit Wochen gedanklich beschäftigt war. Ich bin aus meinem Herzensprojekt, einem besonderen Stadtführer über Salzburg, ausgestiegen. Vorangegangen waren viele schlaflose Nächte, ein immenser Druck hatte sich aufgebaut und letztlich war ich nicht mehr fähig zu schreiben. Dabei war ich bis zu meiner Operation Anfang März gut im Rennen und hatte allen Kapitel, über 100, eine Überschrift gegeben und rund 40 Beiträge komplett geschrieben. Als Abgabetermin war Ende August vereinbart, also noch mehr als genug Zeit für die restlichen Texte und die fehlenden Fotos.
Herzensprojekt Stadtführer für Salzburg
Voriges Jahr im Sommer ist mein Herz hochgesprungen, als die Anfrage für den Stadtführer kam. Schon ewig hatte ich genau von so etwas geträumt. Voriges Jahr, zu Beginn der Pandemie, hatte ich sogar schon ein derartiges Projekt angelegt, das ich als E-Book herausgegeben hätte. Die Ambitionen waren dann verflogen, als es wieder möglich war zu reisen. Aber die Anfrage eines Literaturagenten im Auftrag eines namhaften Verlages hatte dann doch eine andere Qualität. Die endgültige Zusage erfolgte dann im Spätherbst, nachdem ich Texte zu 30 Orten mit einer Kurzbeschreibung abgegeben hatte. Bei den Fotoproben gab es erste Missverständnisse, die sich aber schnell klären ließen. Nach ein paar Anpassungen waren dann zu Jahresende beide Verträge, Agent und Verlag, unter Dach und Fach.
Über 100 Orte benannt und gelistet
Mein Plan, bis Jahresende alle über 100 vorgesehenen Orte in einer Excelliste einzutragen war schon vor Weihnachten erledigt. Und zu Jahresbeginn begann ich beinahe täglich einen Beitrag zu schreiben. Bald konnte ich die ersten 10 zur Überprüfung abliefern. Es gab ein paar Kritikpunkte, die sich schnell anpassen ließen.
Umzug als Megaprojekt, die Pandemie als Hemmschuh
Nebenbei begann ich unseren Umzug zu planen, der sich als Megaprojekt entwickeln sollte. Die Corona-Pandemie mit seinen ganzen Planungsunsicherheiten hat meinen Alltag und meine Pläne immer öfter über den Haufen geworfen. Zwei Blogs sind ja auch noch zu bedienen und meine laufenden Kunden. Ich bin sehr diszipliniert und schaue, dass ich mich nicht überfordere. Vor allem habe ich in den letzten Jahren gelernt, nein zu sagen, wenn ich merke, dass etwas zu viel wird. Das Gefühl hat mich im Februar das erste Mal beschlichen. Ich habe daraufhin meinen Arbeitsplan bis in den Sommer neugestaltet, so, dass alle Aktivitäten gut verteilt waren.
Klinikaufenthalt im März
Dann kam Anfang März meine Operation, die ich gut hinter mich gebracht habe, aber seitdem fehlt mir eine Portion Konzentration und vor allem Kreativität. Offenbar waren die Nachwehen der mehrstündigen Narkose doch etwas heftiger, als ich mir eingestehen wollte. Am Anfang habe ich mir geistige Ruhe gegönnt und nur mein laufendes Tagesgeschäft bedient.
Als ich mich nach gut zwei Wochen wieder an die Arbeit am Buch machte, war ich immer noch gut im Zeitplan, aber es spießte sich einfach zu viel. Zahlreiche Rechercheanfragen, teils noch aus dem Jänner waren immer noch unbeantwortet. Für viele Orte konnte ich keine Öffnungszeiten nennen, weil immer noch kein Mensch weiß, wie und wann wieder geöffnet wird. Teils waren Webseiten nicht mehr auffindbar. Viele Örtlichkeiten sind schlicht geschlossen und ich konnte keine Fotos machen.
Chaos hat sich breit gemacht
Für mich ein echtes Chaos, denn ich arbeite meist sehr strukturiert. Das hat viel mit meiner ehemaligen Krebserkrankung zu tun, der ich auch mein Chemobrain verdanken darf. Das fordert meinen Alltag und setzt auch meinen mentalen Fähigkeiten engere Grenzen.
Ein paar Ungereimtheiten im Hintergrund, sozusagen die fehlenden I-Tüpfelchen, haben mich dann letztlich dazu bewogen, die Reißleine zu ziehen und von meinem Herzensprojekt Abschied zu nehmen.
Tut Scheitern weh?
Tut das weh? Ja, ein klein wenig. Ich habe schon unzählige Stunden in das Projekt investiert und erhalte jetzt natürlich kein Honorar. Aber das Wissen, das ich mir zusätzlich angeeignet habe, ist unbezahlbar. Das geht nicht verloren. Mir ist meine Gesundheit viel wichtiger als mein Name auf einem weiteren Buch. Ich fühle mich unheimlich erleichtert und eine große Last ist von meinen Schultern gefallen.
Ist das ein Scheitern? Natürlich! In einer gewissen Weise bin ich in meinem Vorhaben gescheitert.
Anderseits habe ich mir gegenüber die Größe erwiesen, scheitern zu dürfen. Das ist viel wert.
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Karen von KAREN ON TOUR
April 13, 2021Liebe Claudia,
ich finde es sehr mutig von dir, dieses Scheitern einzugestehen und eine Aufgabe, die sich mit deiner Gesundheit nicht mehr vereinbaren lässt, aufzugeben.
Noch mutiger finde ich es, dass du hier so offen darüber schreibst. Meine Hochachtung.
Könnten wir doch alle mit so viel Ehrlichkeit und Anmut scheitern wie du. Denn Scheitern gehört zum Leben, das hat jede und jeder schon einmal erlebt.
Dir alles Gute und einen wunderschönen Tag
Karen
Gabi
April 13, 2021„Nein sagen lernen“ – das ist echt schwer. Und erst recht, wenn man das anderen und sich selbst sagen muss 🙂 Ich denke, du hast eine gute Entscheidung getroffen, Claudia, und du kannst die fertigen Beiträge doch wunderbar auf deinem Reiseblog „zweitverwerten“! Viele Grüße, Gabi
Charis
April 13, 2021Ich finde, es gibt einen großen Unterschied zwischen Scheitern und einen Plan aufgeben. Du hast letztere Entscheidung getroffen und noch dazu aus Vernunft. Finde ich richtig und wünsche Dir, dass Du nun den Kopf wieder für andere Dinge frei hast.
Claudia Braunstein
April 20, 2021Und wie frei der Kopf ist, liebe Grüße Claudia
Eva Laszlone Wagner
April 13, 2021Es gibt keinen Grund zur Verzweiflung. Wir haben bisher so viel von Ihnen durch den Blog bekommen. Ich freue mich dich zu treffen. Es bedeutet sehr viel, dass ich seine Schriften jede Woche lesen kann. Hör einfach nicht auf.mentar*
Claudia Braunstein
April 20, 2021Danke für das schöne Feedback! Herzlichst Claudia
Veronika
April 13, 2021Liebe Claudia,
find ich sehr mutig und bin dankbar, dass Du das mit uns teilst.
Alles Liebe
Veronika
Claudia Braunstein
April 20, 2021Das war ein wichtiger Schritt, liebe Grüße, Claudia
Nicole
April 13, 2021Liebe Claudia,
ich ziehe meinen Hut vor dir: Es ist nicht leicht, ein Herzensprojekt aufzugeben. Noch weniger leicht ist es ja leider, das auch offen zu kommunizieren.
Deshalb: Ich finde es sehr gut, für dich und ja auch für uns, dass du diesen Schritt gegangen bist und es mit uns teilst.
Denn der Preis für Gesundheit, auch mentale ist einfach zu hoch. Das eine ist ’nur‘ Geld (bitte richtig verstehen), das andere bist du. Und das ist mit keinem Namen auf einem Buch und keinem Gold aufzuwiegen.
Wer weiß, vielleicht beginnst du irgendwann neu und wenn nicht? Dann weißt du, dass du viel gelernt hast, auch über dich.
Alles Liebe
Nicole
Claudia Braunstein
April 20, 2021Liebe Nicole, für mich ist die Gesundheit das höchste gut, ich musste hart darum kämpfen, liebe Grüße, Claudia
Tina+von+Tinaspinkfriday
April 13, 2021Liebe Claudia, nein sagen und etwas zu lassen ist oft schwer und man muss es lernen. Es zeigt aber von Größe.
Allerdings sehe ich kein Scheitern Deinerseits, sondern diese Pandemie macht das grade doch fast nicht möglich so ein Projekt komplett abzuschließen. Die hätten das vielleicht einfach besser noch um 1-2 Jahre einfach verschoben. Salzburg wird dann immer noch da sein und einen Stadtführer brauchen.
Dein Umzug ist jetzt auch ein Megaprojekt.
Alles Gute, herzliche Grüße Tina
Claudia Braunstein
April 20, 2021Liebe Tina, es wird sich etwas anderes entwickeln, ich bin mir sicher. Liebe Grüße, Claudia
miras_world_com
April 16, 2021Es ist natürlich schade, aber du hast richtig gehandelt. Am Ende hättest du dich vielleicht gefragt, was das Ganze es Wert? Ich wünsche dir eine schnelle Genesung und sende liebe Grüße! Ps. man weißt es nie, vielleicht wartet auf dich etwas besseres!
Claudia Braunstein
April 20, 2021Danke Mira, wenn eine Türe zu geht, geht eine andere auf. Liebe Grüße, claudia