Zuletzt aktualisiert am 7. Januar 2023 um 20:57
Da öffnet man den Messenger, weil eine Mitteilung in der Familiengruppe eingetrudelt ist, und plötzlich steht die halbe Welt am Kopf. Zwei meiner vier Kinder weilen gerade seit Wochen im fernen Ausland. Der Jüngste macht Kuba unsicher und kann sich nur sporadisch melden, weil die technische Zivilisation noch nicht so richtig Einzug gehalten hat. Ich bin es schon gewöhnt oft Tage nichts zu lesen, aber es beunruhigt mich nicht wirklich.
Der Älteste ist nun zum zweiten Mal innerhalb eines Jahres auf sehr ausgedehntem Urlaub, oder soll ich es Auszeit nennen. Voriges Jahre nahm er sich einige Monate Sabbatical und zog mit seiner Lebensgefährtin durch Mittelamerika. Tauchen war dort ein Thema, vor allem auf der kleinen Insel Utila. Im Frühsommer kamen sie retour und im November hat er nach 10 Jahren seine Tätigkeit beim Heer quittiert. Als Stabswachtmeister hat er mit einem Golden Skakehand seinen Job beendet. Vor zwei Jahren hat er nach vier anstrengenden Semestern neben seinem Job als Spätberufener die Matura abgelegt. Der Plan war vorerst seinen Vertrag zu erfüllen und heuer mit einem Studium zum Lehramt zu beginnen.
STUDIUM ODER FACHHOCHSCHULE
Sport sollte dabei sein. Ich habe heute noch sein Statement in den Ohren auf meine Frage warum er denn ausgerechnet Gymnasiallehrer im Auge habe und er meinte, an jeder Schule gäbe es einen lässigen Turnprofessor und so einer wolle eben er werden. Ja, das klang sehr cool und auch durchaus vernünftig. Dann im letzten Sommer ein Schwenk in Richtung Physiotherapie. Die Ausbildungszeit sollte durch das Stipendium durch das Bundesheer gewährleistet sein. Und die verkürzte Studienzeit von drei Jahren klang ja auch sehr durchdacht. Immerhin wird das Kind heuer 32.
AUF NACH THAILAND
Im November war es soweit. Er löste seine Wohnung auf, verkaufte einen Teil des Mobiliars und verfrachtet persönliche Habseligkeiten und Möbel seiner Freundin in unser sehr großzügiges Gästezimmer. Oder besser gesagt, in jenes Zimmer, das davor meine jüngere Tochter bewohnte und Gästezimmer werden sollte. Geplant war nun, dass das Kind und seine Freundin bis März nach Asien gehen würden. Erster Stop Koh Tao, eine kleine Insel, von der zumindest ich noch nie etwas gehört hatte. Weiters wollte man ein wenig herumreisen und am 15. März die Rückreise antreten, um alles für die kommende Schulzeit, denn auch das Schwiegerkind plante eine Fortbildung, vorzubereiten. Ein Hund sollte ferner angeschafft und ein neues Heim gesucht werden. Auf Grund der hohen Immobilienpreise freute ich mich schon darauf, dass zumindest in den Monaten nach ihrer Rückkehr wieder ein wenig Jugend in unserem Haus einziehen würde. Ja, ich hatte erhofft, dass sich die Unterkunftssuche als sehr schwierig erweisen sollte. Ich malte mir schon lauschige Grillabende aus und schöne Gespräche, launige Fernsehabende und gemeinsames Kochen. Zahlreiche Freunde meiner Kinder würden wieder ein und ausgehen, so wie ich es über Jahrzehnte gewohnt war.
HALLO LIEBE FAMILIE
Und dann diese Mitteilung im Messenger. * Hallo liebe Familie, ich habe eine tolle Nachricht………………* Mein erster Gedanke, ich werde wieder Oma. Er erzählte aber, dass er den Divemaster gemacht hat. Keine Neuigkeit, das wusste nicht nur ich, sondern das gesamte Gesichstbuch, vulgo Facebook.. Und dass sie vorübergehend beide einen Job in der Tauchschule erhalten hätten. Auch nichts neues, das hatte er erwähnt. Dann kam der dezente Hinweis, ich möge mich bitte hinsetzen, denn sie würden im März nicht nach Österreich zurückkehren. Ein paar Gründe dafür nannte das Kind, wie den Umstand, dass er zum ersten Mal in einem Job glücklich wäre.
Ja. Durchatmen, den Mann beruhigen, klare Gedanken suchen. Wenn das nur so einfach wäre. Inzwischen folgte eine weitere Nachricht, dass man zumindest im September einen Heimaturlaub planen würde. Das klang nun nicht mehr so ganz endgültig. Aber schon die nächste Nachricht sollte mich wieder auf den Boden der momentanen Realität zurückholen. Denn da sprach das Kind dann schon von weiteren Plänen, Malediven, Indonesien und Tauchboote.
ARME MAMA, EGOISTISCHES KIND
Wieder durchatmen, die mütterliche Verzweiflung in Tränen ersticken und versuchen doch klar zu denken. *Der kommt nicht mehr wieder und lässt seinen ganzen Krempel in meinem Gästezimmer!* Das ging mir tatsächlich durch den Kopf. Undankbares Kind, egoistisches Kind, denkt nicht an seine arme Mutter! Ja, tatsächlich solche Gedanken hatten sich breit gemacht. Dann überlegte ich sofort was denn nun mit seiner Pension sein würde, wie er sich versichern sollte.
Es hat einige Stunden gedauert bis ich aus meiner Schockstarre erwacht bin und nicht nur an mich dachte, sondern an die Wünsche und Träume meines erwachsen Sohnes. Der mit knapp 32 Jahren ganz sicher weiß, was für ihn wichtig ist. Wir leben in einer total vernetzten Welt, außer Kuba, und wir können beinahe rund um den Globus kommunizieren. Man kann fast jeden Punkt dieser Erde mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichen, vor allem dann, wenn sich dort Tauch-Basen befinden.
Mein erstes Entsetzen und meine Traurigkeit sind verschwunden. Ich studiere lieber Anreisemöglichkeiten auf die Insel, die ich bis vor kurzem nicht kannte. Eigentlich ist das gar nicht so schlecht, wenn das Kind in Sachen Tauchen um die Welt ziehen möchte, ich kann ja dann immer hinterherreisen, vielleicht.
Benni und Alex, ihr macht das schon richtig, seid trotzdem vorsichtig und passt auf euch auf!
Wir sehen uns dann hoffentlich auf Koh Tao.