Zuletzt aktualisiert am 7. Januar 2023 um 19:10

Ich war in Rom. Das ist nun prinzipiell keine Besonderheit, denn schon seit vielen Jahren hat sich Rom zu einem absoluten Touristen Hotspot entwickelt und viele Menschen aus meinem Umkreis, sei es aus dem Freundeskreis oder aus meinem virtuellen Umfeld, haben Rom zu ihrer Lieblingsstadt erklärt.

Mein erster Rombesuch im August 1979

Mein Rombezug geht wesentlich weiter zurück. Genau vor vierzig Jahren, im August 1979, war ich zum ersten Mal in Rom. Ich war damals zarte 16 Jahren alt und hatte mich in den Ferien in der Toscana in einen jungen Mann aus Rom verliebt. Ich werde ihn in diesem Beitrag Matteo nennen, warum ich nicht seinen Realnamen verwende, wird man nach der Lektüre nachvollziehen können.

Jugendliebe in Rom

Matteo betrieb mit seinem Vater ein Schmuckgeschäft in einem mondänen Badeort in der Toscana und zwei weitere in bester Innenstadtlage in Rom. Wie ich genau meine Eltern überreden konnte, nach dem Urlaub im Juli, die restlichen Schulferien, in Italien verbringen zu müssen, weiß ich nicht mehr genau. Jedenfalls kam Matteo für einen Tag nach Salzburg, zeigte sich von seiner charmantesten Seite, versprach meinen Eltern nur das Beste und meine Hartnäckigkeit tat das übrige, und schon war ich in Rom gelandet.

Zwei verrückte Jahre

Natürlich war ich damals überzeugt, das dieser Mann, die Liebe meines Lebens sein würde. Ein Jahr lang haben wir alle erdenklichen Möglichkeiten gefunden, um uns zu treffen, Mailand, Cortina oder Salzburg. Und sämtliche Ferien und auch darüber hinaus verbrachte ich in Rom oder der Toscana. Dann war Sendepause, denn es kam eine andere Frau ins Spiel. Ein halbes Jahr später, kurz vor meiner Matura begannen wir uns wieder zu treffen und ich hatte größte Hoffnungen, dass sich wieder alles zum Guten wenden würde.

Dolce Vita, die wilden 70er und 80er Jahre

Es ging nicht nur um Matteo, es war auch das wilde Leben in den beginnenden 80er Jahren, das mir so sehr gefiel. Auf Grund seines Berufes bewegte er sich in Kreisen, zu denen man sonst kaum Zugang hat. Roman Upperclass sozusagen. Wir gingen in grandiosen Pallazzi ein und aus, trafen ständig irgendwelche Principesse oder Conti. Auch junge Politiker waren in seinem Freundeskreis.

Römisches Nachleben

Abends zogen wir um die Häuser, es war die Zeit in denen man in römischen In-Discos viel Prominenz traf. Da konnte es schon passieren, dass man neben Mick Jagger oder Helmut Berger saß. Jackie O, Much More oder Bella Blu, diese Namen haben sich bis heute eingeprägt, obwohl es zumindest zwei dieser Lokale nicht mehr gibt. Das war Dolce Vita, wie man es aus italienischen Filmen kennt.

Die Katastrophe im Sommer 1981

Und dann war im Juli 1981 endgültig alles vorbei. Italien wurde in diesen Jahren von grausamen terroristischen Attentaten heimgesucht. So bin ich im August 1980 nur wenige Stunden vor dem grauenhaften Bombenattentat in Bologna im Bahnhof gewesen. Einmal musste ich mich in Rom mitten in der Altstadt auf den Boden legen, weil es eine Bombenwarnung gab.

Terror von links und rechts

Die Menschen waren damals sehr sensibilisiert und auch aufmerksam, trotzdem gehörten solche Anschläge beinahe zum Alltag. Die Terrorgruppierungen hatten auch begonnen Überfalle zu machen, um sich zu finanzieren. Banken und Juweliere waren dafür beliebte Opfer.

Matteo war ein sehr umsichtiger Mensch, er hatte sich mit dieser Zeiterscheinung der terroristischen Kriminalität sehr auseinandergesetzt und seinem Personal und auch mir eingebläut, im Falle eines Überfalles, besonnen und ruhig zu bleiben und das zu tun, was einem befohlen wird.

Überfall mit tödlichem Ausgang

Und genau das tat er nicht, als sein Juwelierladen unweit der Via Condotti im Sommer 1981 das Ziel von vier Terroristen wurde, die das Geschäft überfielen und den gesamten Schmuck raubten. Der Überfall war eigentlich schon vorbei, als er die Nerven verlor und ein Glasvase warf. Das bedeutete sein Todesurteil, denn einer der Verbrecher schoss ihm direkt in den Kopf.

Auch wenn unser Verhältnis zu diesem Zeitpunkt ungeklärt war, dieser schreckliche Vorfall hat all meine Vorhaben nach Italien zu gehen und dort Mode Design zu studieren verworfen.

Terroristen der Nuclei Armati Rivoluzionari

Die Täter wurden nach weiteren Anschlägen und Morden überführt. Sie waren auch verantwortlich für den großen Anschlag im Bahnhof in Bologna, bei dem mehr als 80 Menschen ums Leben kamen. Diese Terroristen zählten zur rechtsgerichteten Nuclei Armati Revoluzionari. Lange glaubte man diese Attentate seien den Brigate Rosse zuzuschreiben, weil Terror zu dieser Zeit hauptsächlich von linken Gruppierungen ausgeübt wurde. Erst später stellte man fest, dass Italien auch von Neofaschisten bedroht wurde.

Eine der Terroristinnen kam wieder frei und wurde Mutter

Eine der Hauptdrahtzieherinnen beider Attentate wurde trotz mehrfacher Verurteilung zu lebenslanger Haft zu Beginn des neuen Jahrtausends entlassen und wurde auch noch Mutter. Zu meinem persönlichen Grauen trägt die Tochter den gleichen Namen wie meine ältere Tochter. Ja, das finde ich gruselig, auch wenn es ein purer Zufall ist.

Kontakt zum Bruder

Danach war ich sporadisch noch einige Male in Rom. Ich hatte den Kontakt zu Matteos Eltern verloren. Die waren inzwischen getrennt, der Vater ist ins Ausland gegangen. Aber ich hatte losen Kontakt zu seinem Bruder. Den habe ich jedesmal besucht, denn er hatte ein Geschäft übernommen und die beiden anderen verkauft. Das letzte Mal haben wir uns bei meinem Besuch vor rund 20 Jahren gesehen, danach hat sich auch dieser Kontakt im Sand verlaufen.

Ich kann mich erinnern, dass ich vor gut 10 Jahren einmal nach ihm gegoogelt habe, da war das Geschäft in der Streetview sichtbar. Lange Zeit war Rom von meinem Radar als Reiseziel verschwunden. Erst heuer im Winter habe ich beschlossen nach so langer Zeit eine Reise in meine Vergangenheit zu machen. Dazu habe ich mich wieder auf die Suche gemacht und bin auf einen weiteren Kriminalfall gestoßen.

Ein weiterer Kriminalfall

Vor 10 Jahren hat Matteos Bruder offenbar das Geschäft verkauft. Er hatte viele Kontakte von seinem verstorbenen Bruder freundschaftlich übernommen. Vor allem die Kontakte zu einem Teil des römischen Adels. Anscheinend hatte er vor, nach Kalifornien auszuwandern. Im Gepäck wertvollen Schmuck einer befreundeten Prinzessin, den sie ihm zu Verkaufszwecken überlassen hatte. Denn ihr Name ist in Hollywood auf Grund eines Filmes sehr bekannt. Darum erhofften sich beide einen hohen Preis, für den Schmuck. Seit 2009 gibt es weder eine Spur zum Schmuck, noch zu Matteos Bruder. Er wurde 2014 in Abwesenheit zu einigen Monaten Haft wegen Veruntreuung verurteilt, doch niemand weiß von seinem weiteren Schicksal.

Ich weiß nicht, ob die Eltern das alles noch erlebt haben, besonders die Mutter ist mir dazu seit meiner Recherche oft in Gedanken erschienen. Was für ein Schicksal zwei Söhne auf solchen Wegen zu verlieren.