Zuletzt aktualisiert am 7. Januar 2023 um 19:09

Ferrara in der italienischen Region Emilia-Romagna ist vom Namen her sicher jedem bekannt. Aber vermutlich nicht so eine begehrte Destination wie etwa Venedig oder Florenz. Ich muss gestehen, ich war zwar vor allem beruflicher Natur in meinem früheren Leben unzählige Male in Bologna und ein oder zweimal hat es mich nach Castel Guelfo di Bologna hinaus verschlagen. Und das war es dann schon mit meinen Emilia-Romagna Erfahrungen.

So kam es gerade Recht, dass meine Freundin Viki von Chronic Wanderlust eine Beifahrerin für eine mehrtägige Tour nach Ferrara und Ravenna suchte. Ende Jänner ist für so eine Region geradezu ideal, weil üblicherweise kaum Touristen unterwegs sind. Und jetzt, in der immer noch anhaltenden Pandemie noch viel weniger.

Von Salzburg aus erreicht man Ferrara in gut 5 Stunden, nicht viel weiter als ein Trip in die Serenissima und ein ideales Ziel für einen verlängerten Wochenendausflug, wenn man vor allem kulturinteressiert ist und noch dazu gerne isst.

Blick vom Hotel Annunziata auf das Castello Estense
Der Blick von der Terrasse des Castello Estense zur historischen Altstadt

Familie d’Este, Herrscher für 350 Jahre

Ja, ich hatte mich natürlich vor der Reise mit Ferrara beschäftigt und war dann aber mehr als überwältigt von der geschichtsträchtigen Architektur. Man sollte sich auf alle Fälle die Geschichte der Familie d’Este ein wenig zu Gemüte führen, die über gut 350 Jahre über Ferrara herrschte und die Stadt bis heute prägt. Durch die Familie wurde Ferrara zu einer führenden Wirtschaftsmacht der Renaissance und wurde zu einem wichtigen  Kultur- und Kunstzentrum. Eine der bekanntesten und schillerndsten Persönlichkeiten dieser Familie ist Lucrezia Borgia. Uneheliche Tochter des späteren Papstes Alexander Vl. und in dritter Ehe mit Alfonso l. d’Este verheiratet. 1597 endete die direkte Linie mit Alfonso ll. d’Este und die weitverzweigte Familie musste Ferrara verlassen und zog nach Modena weiter.

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Castello Estense

Geblieben sind jedoch die großartigen Bauten aus über drei Jahrhunderten. Castello Estense ist sicher das prägendste. Wo findet man sonst schon mitten in einer Altstadt ein derartig großes Wasserschloss? Es wurde übrigens erbaut, um sich vor den Angriffen des Volkes zu schützen. Heute ist dort die Provinzverwaltung untergebracht und natürlich auch ein Museumsbereich. Den sollte man unbedingt besuchen, auch wenn manche Räume echte Beklemmungen hervorrufen. Ich war außerstande, in eine Kerkerzelle zu gehen. Zu bedrückend und beängstigend. Dafür überraschen etwa der Spielsaal mit seinen Fresken an Wand und Decken.

Hier findest du den Beitrag von Elena über das Castello Estense.

Castello Estense bei Nacht

Palazzo Municipale

Durch einen überdachten Gang gelangt man in den Palazzo Municipale, dem ersten Wohnsitz der Familie d’Este. Heute ist dort das Rathaus einquartiert und ist somit in vielen Teilen auch frei zugänglich. Wir konnten etwa das Zimmerchen der Gräfin – Camerino delle Duchesse besichtigen. Ein reich geschmücktes Umkleidezimmer für die Damen des Hauses.

Jüdisches Ferrara

Der Familie d’Este ist es auch zu verdanken, dass es in Ferrara ein reges und gleichberechtigtes jüdisches Leben gab. Unter Ercole l. durften sich aus Spanien vertriebene Juden im Herzogtum niederlassen. Diese Blütezeit endete, als die Stadt Ende des 16. Jahrhunderts an den Kirchenstaat fiel. Trotzdem blieb Ferrara bis zur deutschen Besatzung ein jüdisches Zentrum in Italien. Auch heute gibt es wieder eine kleine Gemeinde und die Synagoge ist in Betrieb. Sehenswert ist sicherlich der jüdische Friedhof, der sich in der Nähe des großen Friedhofes befindet. Ich kenne ihn nur von Fotos, weil zu wenig Zeit für einen Besuch war. Leider war auch ein Besuch des Museo Nazionale dell’Ebraismo Italiano e della Shoah – MEIS nicht möglich, weil unser Besuch einfach zu kurz war. Dieses Museum erzählt die Geschichte des Judentums und der Shoa in Italien.

Die Synagoge von Ferrara in der Via Mazzini

Corso Ercole, Palazzi und Villen

Stattdessen sind wir von unserem Hotel aus, das direkt am Castello Estense liegt, bis zum Stadttor Porta degli Angeli gewandert, durch das die Familie d’Este Ferrara verlassen musste. Am Corso Ercole liegen unzählige große Villen und Palazzi, die den Günstlingen der Herrscherfamilie gehörten. Der Palazzo dei Diamanti sticht durch seine Fassade hervor, die an geschliffene Diamanten erinnert. Dieses Stadtviertel wurde vom Hofarchitekten Biagio Rossetti geplant und gilt als die erste moderne Stadtplanung weltweit.

Der Corso Ercole mit seinen Palazzi

Der Friedhof von Ferrara

Und nicht weit entfernt befindet sich der wirklich monumentale Cimitero Monumantale della Certosa. Aus meiner Zeit in Italien habe ich in Erinnerung, wie wichtig Grabstätten dort sind, das wird hier deutlich sichtbar. Der Friedhof liegt auf dem Gelände der Kartäuse von Ferrara, die aus dem 15. Jahrhundert stammt. Der Friedhof selbst entstand erst vor rund 200 Jahren. Erstaunlich ist, dass sich viele Gräber innerhalb der ehemaligen Mönchszellen befinden. Teil meterhoch auch in den Wänden untergebracht sind. Ein mystischer Ort, den man eventuell an den Tagesrandzeiten besuchen sollte. Vor allem, wenn man gerne über Friedhöfe spaziert.

Kulinarische Einblicke

Wenn man so viel besichtigt, dann bekommt man unweigerlich auch Hunger. Wir konnten ja auch noch ein paar kulinarische Einblicke gewinnen. So waren wir in der Backstube der traditionellen Bäckerei Perdonati, in der das bekannte Gebäck Coppia ferrarese noch von Hand gefertigt wird. Unser zweiter Besuch galt einer Handmanufaktur für Cappellacci di Zucca. Einer Pasta-Spezialität aus der Region, die mit Kürbis gefüllt ist. Dort haben wir dann auch gleich eine Kleinigkeit zu Mittag gegessen. Die Trattoria di Noemi ist ein Familienbetrieb, der viele heimische Gerichte auf der Karte führt.

Traditionelle Küche findet man in der Trattoria Da Noemi

Restaurant Tipps in Ferrara

Und natürlich habe ich auch noch weitere Restaurant-Tipps mitgebracht. Die Emilia-Romagna ist eigentlich bekannt für ihre eher bodenständige, fleischlastige Küche. Deftig und schwer. So habe ich sie aus meinen früheren Erfahrungen in Erinnerung. Natürlich spielen auch heute noch gefüllte Teigwaren und Fleischspeisen eine große Rolle, aber es gibt inzwischen auch viele leichte Gerichte, vor allem aus dem nahen Meer.

Trattoria Le Nuvole, bekannt für Fisch und Meeresfrüchte

Da bin ich dann richtig glücklich, denn Fisch und Meeresfrüchte kann ich trotz meiner Esseinschränkung sehr gut essen. Und was mir wieder einmal sehr ins Auge gestochen ist. Die Menschen in Italien legen immer noch großen Wert auf Kleidung, wenn sie auswärts essen gehen. Ich mag es, wenn man sich für einen schönen Abend ein wenig schicker macht. Zum Beispiel für die Trattoria Le Nuvole. Dort habe ich mich im nudo e crudo Himmel wiedergefunden. Ja, ich liebe rohen Fisch und Derartiges.

Auch das zweite Abendessen im Ca‘ d’Frara schlug in dieselbe Kerbe. Elegantes Ambiente, schöne Menschen, toller Service und ausgezeichnetes Essen.

Unweit vom Castello Estense und dem Hotel kann man im OrcoBacco Cottage Cafè Bistrot mit Blick auf das Wasserschloss feine Kleinigkeiten speisen, auch zu Mittag.

Hotel Tipp für Ferrara

Mitten in Ferrara, mit großartigem Blick auf das Wasserschloss der Familie d’Este, schläft man hervorragend im familiengeführten Hotel Annunziata. Ich kann nur in den höchsten Tönen über dieses entzückende Boutique Hotel schwärmen. Supernettes Personal, hilfsbereit und interessiert am Gast. Die Lage ist perfekt, wenn man die Stadt erkunden möchte. Alles ist fußläufig gut erreichbar. Rund um das Haus findet man zahlreiche Lokale. Es gibt auch nahe Parkmöglichkeiten. Die Zimmer sind einfach, aber mit viel Sinn für Design eingerichtet. Und das Frühstückangebot lässt kaum wünsche über.

Wissenswertes zu Ferrara

  • Die Stadt wurde im Mai 2012 von einem schweren Erdbeben getroffen. Noch heute kann man die Spuren an vielen Gebäuden sehen. So ist etwa die Kathedrale immer noch aus statischen Gründen geschlossen.
  • Ferrara gilt als die Fahrradstadt in Italien, da die Altstadt nur zu Fuß oder per Rad erreicht werden kann.
  • Wenn genug Zeit bleibt, dann sollte man unbedingt den Palazzo Schifanoia mit seinem Salone dei Mesi besuchen. Zu Fuß ist er in gut 20 Minuten ab dem Castello Estense zu erreichen.
  • Übrigens verlief der Hauptarm des Flusses Po ursprünglich südlich der Stadt. Nach zahlreichen Überschwemmungen hat sich das Po Delta ständig verändert. Heute findet man den Hauptfluss nördlich von Ferrara.
  • Auch in Ferrara gibt es einen Palio. Er findet auf dem auf der Piazza Ariostea am letzten Sonntag im Mai statt.

Mein Fazit zu Ferrara

Für die kulturhistorisch wichtige Stadt Ferrara im Po-Delta in der Emilia-Romagna sollte man sich unbedingt mehr als zwei Tage Zeit nehmen. Ich habe mir sagen lassen, dass die Stadt besonders im Herbst sehr schön sein soll. Ich fand Ferrara Ende Jänner als Reisezeit ideal. Wie erwähnt, ergibt es Sinn, sich ein wenig mit der langjährigen Herrscherfamilie d’Este auseinanderzusetzen. Zu guter Letzt, gerade in einer so bedeutenden Stadt wie Ferrara ist es anzuraten, zumindest für einen halben Tag einen Führer oder eine Führerin zu engagieren, damit man einen ersten Überblick erhält.

Transparenzhinweis: diese Reise entstand mit organisatorischer Unterstützung von emiliaromagnaturismo. Der Inhalt ist unbeeinflusst und entspricht meiner eigenen Meinung und Wahrnehmung.