Zuletzt aktualisiert am 7. Januar 2023 um 19:12

Es ist mir also passiert. Vor wenigen Tagen habe ich mein tatsächliches Alter vergessen. Ich mache mich nie jünger, im Gegenteil, ich neige stets dazu eher das kommende Lebensjahr zu nennen, wenn mich jemand dezidiert fragt. Vor wenigen Tagen hatte mich eine gute Freundin zum Interview für ein heimisches Magazin gebeten und auf die Frage, wie alt ich denn nun sei, antwortete ich ganz selbstverständlich, 56! Genau in dem Augenblick, als mir 56 über die Lippen kam, ertappte ich mich dabei, dass das ein Blödsinn wäre. Ich bin in Wirklichkeit aktuell 57 und werde im Herbst 58.

Info für die werte Leserschaft

Gela von Lemondays feiert Geburtstag

Diesen Beitrag widme ich Gela Löhr von Lemondays zu ihrem 50. Geburtstag. Sie wünscht sich dazu eine Blogparade *50 Jahre ICH* mit Gedanken zu diesem Lebensabschnitt, der, wie in meinem Fall auch ganz anders als erwartet verlaufen kann. Alles Gute!

Vergesslichkeit kann viele Gründe haben

So ein Versprecher kann ja mehrere Gründe haben. Fortgeschrittene Vergesslichkeit auf Grund von beginnender Demenz. In meinem Fall sehr wahrscheinlich, mein Chemobrain, das mich seit meiner Krebserkrankung begleitet und manchmal immer noch laut hier ruft. Oder es ist schlicht die Selbstisolation rund um den Corona Virus, die offenbar das Zeitgefühl außer Kraft setzt.

57 also, das ist mein wahres Alter, dem 60er schon sehr viel näher, als dem 50er, den ich in sehr ungewöhnlicher Umgebung gefeiert habe. Natürlich hatte ich mir viele Jahre vorgestellt, wie ich diesen runden Geburtstag gerne begehen würde. Mit einem großen Fest und vielen Freunden, so wie ich davor auch die meisten runden Geburtstage gefeiert hatte. Etwa den 40er mit rund 20 Freunden in der Harrys Bar in Venedig und einem dreitägigen Ausflug in den Veneto und an die Brenta. Essen, trinken und feiern.

Die 40er, ein schwieriges Jahrzehnt

Die Jahre von 40 bis 50 waren nicht gerade von Glück geprägt. Zuerst die Firmeninsolvenz, die mich materielle und finanziell alles gekostet hatte. Eine lange Geschichte, die ein Buch füllen kann. Und dann im Sommer vor meinem 49sten Geburtstag diese katastrophale Krebsdiagnose. Nein, nicht irgendein Krebs, den Frauen sonst bekommen. Zungenkarzinom. Das ist schon fast ein wenig elitär, weil relativ selten und wirklich nicht gut besprochen. Die Hauptrisiken sind Rauchen, übermäßiger Alkoholkonsum, schlechter Lebensstil oder eine Infektion mit einem HP Virus. Dinge mit denen man sich ungern identifizieren möchte. Dementsprechend ist auch der Ruf dieser Krebsart.

Ein gutes Lebensjahr hat mir diese Erkrankung gekostet. Ein Jahr mit vielen Wochen in der Klinik und auf Reha. Mit hohem Pflegebedarf und wenig Hoffnung auf eine vollständige Rückkehr in ein normales Leben.

Statt einem rauschenden Fest, ein Rehaaufenthalt

Und so kam es, dass ich den Start in mein fünftes Lebensjahrzehnt nicht mit einem rauschenden Fest mit vielen Freuden, sondern fast alleine in einer onkologischen Reha Klinik im Burgenland verbrachte. Lediglich meine Tochter und mein Schwiegersohn kamen zu Besuch, weil sie damals in Wien lebten. Für die restliche Familie wäre die Anreise schlicht zu aufwändig gewesen.

Der Weg in ein neues Leben

Und trotzdem war dieser Geburtstag wunderschön. Das lag auch daran, dass diese Klinik so besonders ist. Fast ein Wellness Hotel. Und es lag auch daran, dass damals sozusagen mein Weg in mein neues Leben begann. Ich war endlich wieder fähig alleine mit dem Zug zu fahren oder länger spazieren zu gehen. Das war die Zeit davor einfach nicht möglich. Ich konnte mich endlich wieder halbwegs normal, was das auch immer bedeuten mag, ernähren. Normal heißt heute für mich, dass ich nach wie vor nur eingeschränkt kauen und schlucken kann, aber das ist eben mein Alltag.

Der 50er blieb unbeachtet

Somit war nicht der 50er der große Einschnitt in meiner Lebensmitte, sondern meine Erkrankung, die mich sehr viel Energie gekostet hat. Ich habe auch keine Ahnung wie sich Wechseljahre anfühlen, denn die habe ich schlicht nicht erlebt. Während sich andere Frauen intensiv damit beschäftigen, weil sie grundlegende Veränderungen mitbringen, war ich durch den Krebs lahmgelegt. Die ganzen Therapien verursachten auch einen Stillstand des Hormonhaushaltes. So begann meine Menopause mit dem Therapiebeginn. Ich bemerkte diesbezüglich keine Begleiterscheinungen, weil die Krankheit mein Dasein dominierte.

Menopause durch Krebstherapien

Lediglich die körperliche Veränderung war sehr schnell sichtbar. Aber das lag auch daran, dass ich in 2,5 Monaten einen Gewichtsverlust von 18 Kilo erlitt und nur mehr 45 Kilo wog. Da hat auch junges Gewebe ein Problem. Meine Haut und das Gewebe haben sich davon nie wieder wirklich erholt.

Ich bin mit dem Älterwerden nicht immer eins. Gerade dieser körperliche Abbau ist nicht immer ganz so einfach zu akzeptieren. Im Grund ist es aber ziemlich egal, welches Geburtstdatum im Pass steht. Es ist eher die Gesellschaft im Ganzen, die darum ein Brimborium macht.

Ein neues, schönes Leben

Natürlich kann ich auch sehr viel Schönes aus diesen sieben Jahren im fünften Lebensjahrzehnt erzählen. Eines meiner vier Kinder hat geheiratet und mich zur zweifachen Omi gemacht. Das ist Glück pur. Überhaupt empfinde ich es als großes Glück, dass alle meine Kinder tolle Erwachsene geworden sind. Ich bin auch noch immer mit ein und dem selben Mann verheirate und das seit 35 Jahren. Schwere Lebenskrisen können sehr zusammenschweißen.

Neue Existenz

Ich habe in diesen sieben Jahren eine neue Existenz aufgebaut. Trotz meiner Einschränkungen und nicht gerade guter Voraussetzungen. Ich habe Kochbücher geschrieben, fülle seit acht Jahren zwei Blogs. Einer davon ist im deutschsprachigen Raum auf Grund des Inhaltes einzigartig, denn über Dysphagie/Schluckstörungen schreibt sonst niemand aus der Bloggerszene. Das hat mich zur Expertin aus Betroffenheit gemacht und dadurch werde ich heute auch in der Fachszene anerkannt und werde öfter zu Veranstaltungen eingeladen. Und ich bin in Österreich eine Vorreiterin als 50plus Bloggerin. Da würde ich mir noch viel mehr Kolleginnen wünschen. Denn wir Bestagerinnen haben doch eigentlich viel zu erzählen.