Zuletzt aktualisiert am 22. März 2023 um 21:00

Der August steht heuer im Zeichen von drei großen Themen. Meine beiden Reisen nach Thailand und Tschechien und die Salzburger Festspiele.
Heute habe ich wieder ein spannendes Interview mitgebracht. Und zwar mit meinem Sommernachbar Prof.Gerald Schubert, seit 1982 Stimmführer der zweiten Geigen der Wiener Philharmoniker:

Lieber Gerald, seit über drei Jahren sind wir nun über die Sommermonate und einige wenige Tage unter dem Jahr Nachbarn. Denn du gehörst den Wiener Philharmonikern als Geiger an, und lebst somit im Juli und August in Salzburg.
Ich befrage heuer Menschen aus meinem Umfeld, die in irgendeiner Weise mit den Salzburger Festspielen zu tun haben, zu ihrer Tätigkeit während dieses kulturellen Höhepunktes in meiner Heimatstadt. So liegt es für mich natürlich auf der Hand, mich in meiner direkten Nachbarschaft umzuhören.

Warum wird man überhaupt Geiger?
Also, bei mir war es so, mein Vater hat als Zweitstudium Musik studiert. Er hatte zwei sehr berühmte Geigenlehrer (Willi Boskovsky, langjähriger Dirigent des Neujahrskonzerts der Wiener Philharmoniker und Vasa Prihoda, einer der genialsten Virtuosen) und eigentlich jeden Tag zuhause geübt. Mich hat das als Kind schon sehr fasziniert und ich habe gern zugehört. Mit sechs Jahren war mein Geburtstagswunsch eine Geige, so hat es dann angefangen. Ich habe immer gerne geübt, da war kein Zwang notwendig. Ich habe meine Geige immer als Teil von mir betrachtet. Natürlich gab es auch Zufälle. So hat mich meine Deutschlehrerin in der Unterstufe spielen gehört und meinte ich müsste auf die Akademie gehen, wie damals die Universität genannt wurde. Der Sohn dieser Lehrerin, Prof. Ortwin Ottmayer war damals bei den Wiener Philharmonikern und hat mich an Professor Josef Sivo empfohlen. So wurde ich mit 13 Jahren in die Vorbereitungsklasse aufgenommen. In der 5. Klasse wechselte ich ins Musikgymnasium in Wien. Dort wurde man nur aufgenommen, wenn man an der Akademie oder am Konservatorium ein Instrument lernte. So konnte ich mich nach der Matura ganz auf die Geige konzentrieren. Schon ab dem 12., 13. Lebensjahr war der Wunsch vorhanden, beruflich Geige zu spielen.

Seit wann bist du Ensemblemitglied der Wiener Philharmoniker?
Ich habe mein Studium 1978 abgeschlossen und habe ein halbes Jahr später ein Probespiel für das Orchester der Staatsoper gewonnen. Mitglied der Wiener Philharmoniker kann man nur werden, wenn man Mitglied des Staatsopern Orchesters ist. Wenn wir Oper spielen sind wir das Staatsopern Orchester, bei Konzerten sind wir der Verein der Wiener Philharmoniker. Den Antrag in den Verein aufgenommen zu werden kann man allerdings erst nach drei Jahren stellen.

Wie viele Auftritte haben die Wiener Philharmoniker pro Jahr?
Wir spielen pro Jahr ca. 110 Konzerte, die Hälfte davon in Wien. !!Etwa 10 Konzerte und 20 Opernaufführungen entfallen auf die Salzburger Festspiele. Wir spielen heuer 4 Opern und jede Oper wird vier bis siebenmal gespielt. Ca. 50 Konzerte werden im Ausland gespielt.

Was bedeutet für einen Berufsmusiker die Teilnahme an den Festspielen?
Festspiele und die Stadt Salzburg bedeuten für mich etwas ganz Besonderes. Ich war das erste Mal mit 12 Jahren mit meinen Eltern bei den Festspielen und durfte im Mozarteum ein Streichquartett hören, das mein späterer Lehrer Josef Sivo als Primus angeführt hatte. Auch den Jedermann durfte ich im selben Jahr mitverfolgen. Es war übrigens Schlechtwetter. Seit damals ist *Salzburg und die Festspiele* ein Zauberwort für mich. Ich durfte 1976 als Substitut das erste Mal mit den Philharmonikern bei den Festspielen teilnehmen.

Was war der bisherige Höhepunkt deiner Karriere?
Das ist wirklich sehr schwierig zu sagen. Einer ist allerdings auf alle Fälle unter Karajan gespielt zu haben. Und das gleich bei meinen ersten Aufführungen in Salzburg. Das war 1976 Don Carlo und Figaro. Über Karajan gab es ja viele Mythen, und für mich war interessant, dass die alle nicht gestimmt haben. Man hat gesagt, der wäre arrogant und herrschsüchtig. Als Orchestermusiker hat man davon aber überhaupt nichts gemerkt. Es hieß auch, er würde die Augen beim Dirigieren schließen. Ich kann mich an kaum einen Dirigenten erinnern, der so viel mit den Augen Musik gemacht hat. Die Proben waren ein Erlebnis, denn er war ein ganz geschickter Psychologe. Er hat mit wenig Worten und Taten unglaublich viel erreicht. Eine seiner Stärken war, dass er jede Vorstellung wieder neu und anders gestaltet hat.

Wie lange kann ein Philharmoniker in diesem Beruf tätig sein?
Wenn man gesundheitlich keine Probleme hat und das künstlerische Niveau halten kann, dann geht man mit 65 in Pension. Es besteht auch die Möglichkeit in der Pension als Substitut tätig zu sein.

Was wirst du nach deiner Pensionierung machen?
Darüber mache ich mir überhaupt keine Sorgen. Ich habe so viele Interessen, für die ich jetzt so gar keine Zeit habe. Wenn ich hoffentlich gesund bleibe, dann plane ich weiter Geige zu spielen. Ich unterrichte seit 1983, da habe ich an der Musikuniversität als Assistent begonnen und seit 1999 leite ich eine eigene Klasse.

Zu guter Letzt, was ist dein persönlicher Höhepunkt bei den heurigen Festspielen?
Das kann man letztendlich erst sagen, wenn die Festspiele ganz vorbei sind. Wir proben ja jetzt alle Opern, die Premieren kommen erst. Aber wir haben bereits ein Konzert gespielt, das möglicherweise mein Höhepunkt sein könnte. Das war die Aufführung der Neunten von Mahler, unter Bernard Haitink. Dazu muss man sagen, der Grand Seigneur Bernard Haitink ist 88 Jahre alt. Es war sehr, sehr beeindruckend mit welcher Lebenserfahrung und Tiefe er dieses Stück dirigiert hat. Bernhard Haitink ist ein ganz ehrlicher Musiker, der immer dem Werk dienen will, dem jegliches Showelement ein Gräuel ist. Er ist für mich einer der ganz, ganz großen Dirigenten.

Lieber Gerald, ich bedanke mich ganz herzlich für dieses spannenden Einblicke.

Info für die werte Leserschaft
Gerald Schubert, Geige und Bernadette Bartos, Klavier spielen Wagner:
Wagner and the Violin